In der Theorie ist es einfach, für ein Kind U3 einen Betreuungsplatz zu bekommen. Was aber tun, wenn es nicht klappt?

In Deutschland hat ein Kind seit 2013 Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, zumindest in der Theorie. In der Praxis erleben Eltern es immer wieder, dass sie keinen Kita-Platz bekommen, und womöglich auch keinen Platz in der Kindertagespflege. Rund 300.000 Betreuungsplätze für unter Dreijährige fehlen deutschlandweit, bilanzierte das Institut der deutschen Wirtschaft 2023 in einer Analyse. Auch in Köln und Region gibt es nicht genug Kita-Plätze.

„Wochenlang nur Absagen bekommen“
Sabrina J. Fahlenbock ist Rechtsanwältin in Köln und hat sich auf diese Frage eher unfreiwillig spezialisiert: Nach dem Umzug ihrer Familie von Köln nach Moitzfeld, Bergisch Gladbach im Jahr 2022 bekam sie für ihren damals einjährigen Sohn keinen Betreuungsplatz am neuen Wohnort. „Wir haben uns quasi mit Datum des Umzugs an das Jugendamt gewendet, uns auf dem Vormerkungsportal Little Bird angemeldet und bei Kitas und Tageseltern vorgesprochen“, erzählt sie, „aber wir haben wochenlang nur Absagen bekommen.“

Fahlenbock entschied sich für den Rechtsweg: Sie reichte beim Verwaltungsgericht Köln einen Antrag auf einstweilige Verfügung ein, um im Eilverfahren einen Kitaplatz in Bergisch Gladbach zugewiesen zu bekommen. Ein deutlich schnelleres Vorgehen als der reguläre Klageweg, sagt sie. Das Gericht gab ihr Recht, aber einen Betreuungsplatz hatte Fahlenbock deswegen immer noch nicht. Stattdessen entspannte sich ein monatelanger Rechtsstreit zwischen der Anwältin und der Stadt Bergisch Gladbach, der die Mutter bis vor das Oberverwaltungsgericht in Münster führte – und über den diese Zeitung vielfach berichtet hat.

Es dauerte fast ein ganzes Jahr, bis ihr Sohn schließlich in die Kita gehen konnte. Gefunden hat Fahlenbock den Platz auf Eigeninitiative, durch einen privaten Kontakt.

Wo finde ich Unterstützung, wenn ich einen Kita-Platz einklagen will?
Dass sie auch in oberster Instanz in Münster Recht bekommen hat und die Stadt Bergisch Gladbach schließlich als Strafe für jeden weiteren Monat ohne Kitaplatz ein Zwangsgeld über 5000 Euro in die NRW-Landeskasse einzahlen sollte, wertet die Anwältin dennoch als großen Erfolg. Nicht nur, weil sie überzeugt ist, dass sich ohne finanziellen Druck auf die Kommunen nichts ändern wird. Sondern auch, weil so andere den Mut fassen könnten, ihr Recht auf einen Betreuungsplatz einzufordern.

„Viele Eltern haben Angst, mit der Justiz in Verbindung zu treten und ihre Kommune zu verklagen, weil es auf den ersten Blick natürlich alles sehr kompliziert wirkt. Hinzu kommt die Sorge, dass es für das Kind in der Kita von Nachteil sein könnte, wenn die Eltern den Platz eingeklagt haben“, sagt Fahlenbock. Aber solche Bedenken müsse man Müttern und Vätern dringend nehmen. Inzwischen hat die Anwältin die Info-Webseite „platzrecht.de“ eingerichtet, über die betroffene Eltern sie für eine kostenlose Ersteinschätzung kontaktieren können. „Die Zuschriften kommen derzeit vor allem aus NRW“, sagt Fahlenbock. 150 Verfahren hat sie inzwischen abgeschlossen, 90 sind noch offen.

Was brauche ich, um eine Klage einzureichen?
In Düsseldorf sitzt die Kanzlei „Schumacher und Partner“, die sich ebenso auf Kita-Klagen spezialisiert hat. Auch hier können sich Eltern über die eigens dafür eingerichtete Webseite kitaplatznrw.de melden, um ihren Fall kostenfrei prüfen zu lassen. „Für den Erfolg einer solchen Klage ist es entscheidend, alles ganz genau zu dokumentieren“, sagt die zugehörige Rechtsanwältin Nicole Nickisch, von der Anmeldung bis zum Ablehnungsbescheid. „Wer den Kita-Anspruch gerichtlich geltend machen möchte, muss nachweisen können, dass er sich ausreichend um einen Platz bemüht hat.“ Dazu zähle zum Beispiel immer, das Jugendamt rechtzeitig einzuschalten und E-Mails und Screenshots von Absagen abzuspeichern.

Wie bekomme ich überhaupt einen Kita-Platz?
Denn in der Theorie ist es ja relativ einfach, einen Kitaplatz oder eine Tagesmutter zu finden. In Köln sollen sich Eltern beispielsweise direkt nach der Geburt ihres Kindes bei dem Kita-Portal „Little Bird“ anmelden. „Alternativ können sie in Köln-Kalk zur persönlichen Beratung im Familienbüro gehen“, sagt Karsten Betz, Leiter der Abteilung „Familienservice“ der Stadt Köln. Dort finden sie auch Unterstützung bei der Bedienung des Anmelde-Portals. In Little Bird können die Eltern bis zu fünf Wunsch-Kitas wählen, allerdings ohne Gewähr auf einen Platz in diesen Einrichtungen. Das Gesetz sieht lediglich vor, dass Eltern ein Betreuungsplatz über sechs Stunden am Tag zugewiesen werde, den sie in rund 30 Minuten erreichen können, also etwa fünf Kilometer vom Wohnort entfernt, erklärt Betz. Sechs Monate haben die Kommunen Zeit, diesen Platz nach der Anmeldung des Kindes zu organisieren. 

Und wenn es diesen Kitaplatz einfach nicht gibt? „Dann vermitteln wir die Familien an die Kontaktstelle Kindertagespflege an der Venloer Straße, wo im engen Dialog ein Platz bei einer Tagespflege gesucht wird“, sagt Betz. Dass einer Familie längerfristig kein Platzangebot unterbreitet werden kann, sei in Köln eher die Ausnahme, weswegen der Stadt auch nur selten Klagen von Eltern vorlägen, fügt er noch hinzu.

Kann ich auch einen Platz an meiner Wunsch-Kita einklagen?

Manche Eltern versuchten zudem, auf dem Rechtsweg den Platz in ihrer Wunsch-Kita einzuklagen oder einen Platz in einer Kita zu bekommen, die näher an der Wohnung liegt, sagt Rechtsanwältin Nickisch und fügt hinzu: „Das hat keine Aussicht auf Erfolg.“ Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in drei Beschlüssen vom September 2023 entschieden, dass Eltern eine Fahrt mit dem Auto von 4,3 bzw. 3,2 Kilometer mit dem Fahrrad vom Wohnort zur Kindertageseinrichtung durchaus zuzumuten ist. Auch, wenn die klagenden Eltern selbst das anders empfinden mögen. „Eine Kommune ist nicht verpflichtet, dem Kind einen Betreuungsplatz in einer deutlich näher gelegenen Einrichtung eines freien Trägers oder in anderen Wunscheinrichtungen zu verschaffen“, so das Gericht.

Und was kostet mich so eine Klage?

Nur wenn Nickisch nach Sichtung der Unterlagen zu dem Ergebnis kommt, dass eine Kita-Klage Aussicht auf Erfolg hat, wird die Kanzlei tätig. Die gute Nachricht: „Schumacher und Partner“ übernehmen dann die Prozesskosten – zumindest vorerst. Aus einem einfachen Grund: Durch die eindeutige gesetzliche Lage gingen die Verfahren häufig zugunsten der klagenden Kinder aus, sagt Nickisch. „Die Kosten für das Hauptverfahren müssen so die Beklagten, also in diesem Fall die Kommunen tragen.“ Oft kommt es aber gar nicht so weit. „Wir erleben es häufig, dass den Kindern noch während des anhängigen Gerichtsverfahrens ein Betreuungsplatz zugewiesen wird“, sagt Nickisch. Das macht doch Hoffnung.

 

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