BLOCKCHAIN FÜR VERSICHERUNGEN

Blockchain-Anwendungen haben sich auch abseits von Kryptowährung etabliert, die Erwartungshaltung hinsichtlich einer Veränderung von Geschäftsprozessen ist auch in der Versicherungsbranche groß.

Eine Blockchain ermöglicht eine fälschungssichere Übermittlung von Informationen mit Hilfe einer dezentra­len, von vielen Teilnehmern gemein­ sam genutzten Datenbank, die Betrug unmöglich macht. Die wichtigste Auf­ gabe einer Blockchain besteht darin, digitale Transaktionen sicher zu dokumentieren. Sie tut dies, wie der Name es sagt, durch eine Verkettung von Datenblöcken, die mit einem Ur­ sprungsblock startet und an den im­ mer neue Datenblöcke chronologisch angehängt werden, nachdem sie überprüft und bestätigt wurden und bil­ det somit die Historie von Datensätzen ab. Das Besondere daran: es handelt sich dabei um eine verteilte Daten­ bank, denn jeder Teilnehmer speichert auf seinem Rechner eine vollständige Kopie der Datenhistorie. Das ist der wesentliche Grund für die Manipulati­ onssicherheit einer Blockchain.

Die meisten Menschen kennen Block­ chain nur für finanzielle Transaktio­ nen, jedoch ist sie nicht auf eine Infor­ mationsart beschränkt, sondern kann auch für die Sicherung von anderen Daten verwendet werden, auch ein Einsatz bei Wahlen ist möglich.

Einsatzmöglichkeiten bei Versicherungen

Die Versicherungsbranche setzt die Blockchain­Technologie bisher haupt­sächlich für sogenannte Smart Con­tracts ein. Ein Smart Contract ist eine digitale Manifestation eines Vertrags, bei der die Bedingungen einer Verein­ barung in die Codezeilen geschrieben werden. Ein Smart Contract löst dann beispielsweise eine Schadenregulie­rung aus, wenn bestimmte, vorher vereinbarte Kriterien erfüllt sind. Die Vorteile solcher smarten Verträge be­stehen in ihrer hohen Sicherheit und großen Transparenz sowie dem Po­tential zur Kostenersparnis.

Es ist also von Interesse, die rechtli­chen Aspekte der Blockchain­Tech­nologie in den Blick zu nehmen. Nicht alle juristischen Fragen sind aktuell schon rechtssicher geklärt. Sowohl das Vertragsrecht als auch der Da­tenschutz sollte in Bezug auf den Ein­ satz von Blockchain im Versiche­rungsumfeld beachtet werden und auch kartellrechtliche Aspekte spielen eine Rolle, wenn man die Frage be­ antworten möchte, ob man Block­chain rechtlich unbedenklich in einem Unternehmen einsetzen kann.

Das Vertragsrecht bildet den rechtli­chen Rahmen für jede Form von Ver­trägen, bei der es um mindestens zwei übereinstimmende Willenser­ klärungen geht, die mit dem Ziel ge­schlossen werden, einen wirtschaft­lichen Erfolg zu erzielen. Seine Grundlagen regelt das BGB und es geht darin auch um Anforderungen an Korrekturen: Rückabwicklung, Wider­ ruf, Anfechtung oder Rücktritt.

Das BGB kann unter Umständen bei Änderungen verlangen, diese rück­wirkend und rechtssicher im Vertrag zu speichern. Dies ist bei Blockchain nicht ohne Weiters möglich. Die er­folgreiche Anfechtung eines Vertra­ges beispielsweise bedeutet, dass dieser von Anfang an nichtig ist – so, als hätte es ihn nie gegeben. Dieser rechtliche Vorgang ist wie ein Lö­schen zu verstehen – und das geht in der Blockchain nicht. Man müsste X Blöcke zurückspringen, um diese zu löschen. Mit einfachen Worten: bei einer Blockchain sind alle Daten wie in Stein gemeißelt und einen Radier­gummi gibt es nicht.

Smart Contracts sind keine Verträge

Smart Contacts sind, anders als der Name es vermuten lässt, keine Ver­träge im engeren Sinne. Sie führen lediglich geschlossene Verträge aus oder automatisieren den Abschluss von Verträgen. Auch für einen auto­matisierten Vertragsschluss braucht man Angebot und Annahme. Beim Smart Contract wird eine von diesen Willenserklärungen automatisch abgegeben.

Die automatisierte Willenserklärung wird in der juristischen Auslegung demjenigen zugerechnet, der das automatisierte System zur Verfügung stellt und benötigt keine Unterschrift. Wenn Smart Contracts automatisiert Verträge schließen und ausführen können, werden solche geschlosse­ nen Verträge regelmäßig als Fernab­ satzverträge oder Verträge im elektro­ nischen Geschäftsverkehr anzusehen sein. Dann müssen sie technisch in der Lage sein, den Widerruf zu er­möglichen. Im BGB gibt es fest veran­ kerte Widerrufsrechte zu Verträgen. Die gesetzliche Frist für einen Wider­ ruf ist zwei Wochen bei ordnungsge­ mäßer Belehrung vor Vertragsschluss. Wenn die Belehrung unwirksam ist (falsch oder keine), gilt eine verlänger­te Frist für den Verbraucher, nämlich ein Jahr plus 14 Tage. Eine wirksame Belehrung vor einem Abschluss eines Smart Contracts dürfte momentan technisch noch nicht möglich sein; die Belehrung wird immer nach Vertrags­schluss kommen. Demzufolge müss­ten Versicherer immer mit der Höchst­dauer der Widerrufsfrist kalkulieren.

AGB und Smart Contracts

Jeder Verwender von Smart Con­tracts sollte sich auch darüber be­wusst sein, dass eine AGB­-Nähe herrscht und dadurch Verbraucher geschützt werden. AGB Rechte fin­ den grundsätzlich Anwendung bei einseitig gestellten, für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Bedin­gungen. Bei einem automatisierten Vielzahlvertrag ohne individuelle As­pekte, könnte dies der Fall sein. Wei­terhin wirft der Einsatz von Blockchain datenschutzrechtliche Fragen auf.

Die DSGVO schützt die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Per­sonen, insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten und ist eine Europäische Verordnung. Das deutsche Bundesdatenschutz­gesetz ist die Umsetzung der Verord­nung auf Bundesebene mit mindes­tens denselben strengen Anforderun­gen wie die DSGVO.

Das Datenschutzrecht ist also immer dann anwendbar, wenn es um perso­nenbezogene Daten geht. Dazu ge­hören Einzelangaben über persönli­che oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren na­türlichen Person. Ab wann aber eine Person bestimmbar ist, dazu gibt es

unterschiedliche Denkweisen, die sich nach nationalen und internatio­nalen Ansätzen unterscheiden – ob­jektiven, relativen und nach internati­ onalen Standards einen verschärften relativen Ansatz. Alle haben gewisse Ermessensspielräume und lassen Einzelfallentscheidungen zu.

Bei der Benutzung einer Blockchain können personenbezogene Daten anonymisiert (identifizierbare Merk­male werden gelöscht) oder pseudo­nymisiert (identifizierbare Merkmale werden von personenbezogenen Da­ten getrennt) eine Lösung sein. Auch können personenbezogene Daten woanders gespeichert werden. Aller­dings: auch wenn die Rechenleistung heute noch nicht in jedem Fall aus­ reicht, um pseudonymisierten Daten auf die Spur zu kommen, wird jeder Code zukünftig durch stetig steigende Rechnerleistungen (eben mit mehr Aufwand) entschlüsselt werden kön­nen. Es scheint daher sehr wahr­scheinlich, dass die DSGVO und das BDSG bei einer Blockchain Anwen­dung findet. Folglich stellt sich die bisher ungelöste Frage, welche Mög­lichkeiten Verbraucher haben, Ihre Rechte auf Berichtigung, Löschung und Auskunft durchzusetzen.

Nachteile bei Smart Contracts

Den Vorteilen von Smart Contacts für Versicherungen stehen heute also un­ter rechtlichen Aspekten auch einige Nachteile gegenüber. Wenn unter an­derem die personelle Einsparung beim Einsatz von Smart Contracts das Argument ist, wird dieses unter Umständen schnell aufgehoben durch schnellere und höhere Schadenaus­zahlungen (z. B. bei Reiseversiche­rungen: Flug ist ausgefallen = Geld wird überwiesen (wenn/dann)). Diese Arten von einfachen Smart Contracts sind nicht in jedem Szenario wün­schenswert (z. B. wird bei Unfallversi­cherungen nicht nach jedem Schaden sofort reguliert, in der Regel schließen sich umfangreiche Gutachten und Prüfungen zu Ausschlusskriterien an) und müssten durch komplizierte Rechenmodelle verfeinert werden.

Das führt auf direktem Weg zu den Nachteilen für die Verbraucher: Smart Contracts sind möglicherweise an versteckte Bedingungen geknüpft, so dass sie nur schwer verständlich sind bzw. Risiken für den Verbraucher nicht ohne Weiteres ersichtlich sind. Hier wird sich, je nach Ausgestaltung der Verbraucherschutz im Allgemei­nen einschalten müssen. Allerdings hat er auch Vorteile, die gleichzeitig die Nachteile der Versicherungen sind: gegebenenfalls die Anwendung des AGB Rechts oder die erheblich längere Widerrufsfrist. Sein bisher einziges „größeres Problem“ dürfte in der Verwendung seiner Daten bzw. dem Datenschutz bestehen.

Zum Abschluss soll noch darauf hin­gewiesen werden, dass der Einsatz von Blockchain auch unter kartell­rechtlichen Aspekten Fragen aufwer­fen kann. Das Kartellrecht sagt, dass keine wettbewerbsbeeinträchtigen­ den Vereinbarungen zwischen Wett­bewerbern erfolgen dürfen. Bei der Blockchain­Technologie kommt es aber zu einem vorangestellten Sam­meln von Daten und einer vorein­gestellten Ausführung mit Hilfe von Software auf Basis bestimmter Indi­katoren und Zahlen, die dann die Preisgestaltung beeinflussen. Isoliert betrachtet ist der Vorgang kaufmän­nisch sinnvoll und rechtlich zulässig. Wenn aber viele Unternehmen diesel­be Routine mit im Kern gleichen Ein­stellungen verwenden, führen die Programme die Routinen automa­tisch und gleichzeitig aus. Dies könn­te den Eindruck eines abgestimmten Handelns erwecken, so dass ein Ver­stoß gegen das Kartellrecht angenommen werden kann.

Autor:

Armin Treichel ist Rechtsanwalt der Kanzlei Schumacher & Partner und leidenschaftlicher Sportler und Musiker.

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